Als Arbeitsloser … Arbeitssuchender, nee: Freier Journalist kann man sich hin und wieder den Luxus leisten, auch mal etwas länger zu schlafen – ach was soll’s: Als Freier Journalist kann man sich täglich den Luxus leisten, bis in die Puppen im Bett liegen zu bleiben, wenn da nicht die schrecklichen Geräusche der Post wären. Egal ob die Schlafzimmertür nun offen oder geschlossen ist, spätestens beim Hochklappen des Postschlitzes und des Durchschiebens der Umschläge stehe ich nahezu kerzengerade im Bett. Bildlich gesehen. Natürlich bleibe ich liegen, aber an Schlafen kann ich nicht mehr denken, denn ich kann hören, was für Post kommt.
Damit habe ich nach meinem Feinschmeckergaumen für Milch eine zweite Fähigkeit, die nahezu einmalig ist und um die mich kein Mensch bewundern wird, denn die Post am Geräusch zu erkennen, ist nichts wofür es sich zu leben lohnt. Aber um meine Fähigkeit mal genauer zu erklären: Zum einen besitze ich das Vermögen, den Adressatenkreis der Post auf drei mögliche Empfänger einzuschränken: Mich, Sonja und Magnus. Aber ich leg‘ noch einen drauf: Unglücklicherweise kann ich sogar raushören, wenn ein Umschlag für mich durch den Briefschlitz geworfen wird. Denn Din-A4-Umschläge (eigentlich irgendein C-Format) fallen wesentlich dumpfer auf den Fliesenboden, als leichte A6-Umschläge oder Postkarten.
Nun könnte man neidisch auf diese keineswegs angeborende sondern hart erlernte Kunst des Post-Erhörens sein. Doch von Neid rate ich ab. Diese Kunst habe ich nur erlernt, weil ich in den letzten Monaten eine Vielzahl von immer gleich schweren Din-A4-Umschlägen erhalten habe. Und wer schon mal in seinem Leben etliche Bewerbungen durch die Weltgeschichte geschickt hat, der weiß, dass man gewiss keine Umschläge in dieser Größe bekommen möchte. Deshalb kann ich nach dem vertrauten Geräusch der dumpf fallenden Post auch nicht weiter schlafen. Man möchte schließlich wissen, wer einem die Hoffnung nimmt, im Leben einen Schritt weiter zu kommen.