Was passiert, wenn aus einer lapidaren, wenig ernstgemeinten Frage Realität wird? Eine fast surreale Reise nach Nevada, Arizona und Utah in nicht einmal fünf Tagen. Warum zwei Freunde die Sphere in Las Vegas besuchen – eine Geschichte.
Eine folgenschwere Nachricht.
Eigentlich begann die Geschichte schon Anfang 2023. Erst gab erste Gerüchte, dass U2 in Las Vegas Konzerte geben würde und tatsächlich – und zum Entsetzen etlicher Fans (hier!) – bestätigten sich die Gerüchte im April: U2 würden 17 Konzerte in Las Vegas geben. Als dann auch noch der Preis für die Tickets durchsickerte – ab 250 Euro – war ich raus. Wenn U2 meinen sich mit Residenz-Konzerten auf das Altenteil setzen zu müssen und das auch noch ohne Larry am Schlagzeug, dann sollten sie das bitte ohne mich tun. Da hätte die Geschichte eigentlich enden können, aber dann startete am 29. September das erste Konzert und natürlich war ich neugierig, was da denn passieren würde … hätte ich mir vielleicht nicht anschauen sollen, denn die Bilder waren phänomenal. Da habe ich mich doch geärgert, dass Thema so schnell beiseite geschoben zu haben. Leichtfertig postete ich ein Video vom Konzert in der Maskerowski-Freundesgruppe und nicht einmal eine Minute später, fragte Stefan, wann es losgehen solle. Und viereinhalb Monate später saßen wir im Flieger.
Das Mikro-Abenteuer begann schon vor der Abfahrt. Etliche Schulstunden musste ich verlegen, um mir zumindest einige Tage freischaufeln zu können. Mittwochnachmittag startete unser Flug und Sonntag würden wir Las Vegas wieder verlassen müssen. Da blieben uns also fast drei volle Tage bevor das Sphere-Konzert am Samstagabend den Abschluss bilden würde.
Ideen von einer lieben Kollegin und einer ehemaligen Schülerin wurden eingeholt und so stand ein relativ grober Plan, wie wir die Zeit nutzen würden … aber erstmal hinkommen. Die Flüge hatten wir über Opodo gebucht, doch so problemlos wie die Werbung suggeriert lief das nicht ab. Bequemes Online-Einchecken vor dem Abflug? Fehlanzeige. Zittern, ob das auch wirklich klappt? Check!
In Hamburg konnten wir dann ganz Oldschool-like einchecken, allerdings nur für den Flug nach Heathrow – dort stand ein erneutes Check-In mit Terminalwechsel (mit dem Bus etwa 25 Minuten) auf dem Programm, bei einem geplanten Aufenthalt von 90 Minuten – sportlich. Noch sportlicher wird es, wenn sich der Flug nach London auch noch um 20 Minuten Verspätung hat. Zum Glück ist in Heathrow der Weg zu Terminal 3 – also zum Bustransfer – perfekt ausgeschildert und der Bus fuhr auch sofort ab. Als Hindernis entpuppte sich eher die Sicherheitsangestellte, die unsere nicht vorhandenen Bordkarten sehen möchte. Auf den Hinweis, dass wir die noch nicht haben, stellte sie in aller Ruhe fest, dass wir ja nicht mehr viel Zeit haben und uns beeilen müssten. Ebenso ausführlich wies sie mehrmals daraufhin, dass wir auf keinen Fall shoppen gehen sollten. Sie schilderte uns noch ausgiebig den Weg zum Virgin-Schalter, der aber tatsächlich direkt um die Ecke war.
Auch der freundliche Virgin-Mitarbeiter schaute zunächst auf die Uhr, um festzustellen, dass es nun aber eng werden würde und sein bis dato beschäftigungsloser Kollege nahm den Hörer zur Hand, um dem Gate mitzuteilen, dass da noch zwei Deutsche mit Verspätung kommen würden. Trotz aller vermeintlicher Eile ließ es sich der Mitarbeiter nicht nehmen, uns darauf hinzuweisen, dass wir nicht shoppen gehen sollten, sondern bitte die „Fast-Lane“ zu den Gates nehmen. Nach einer ausgiebigen Erklärung, wo wir diese „Fast-Lane“ im größten Flughafens Europas denn finden würden, verließen wir halb rennend den Schalter, bogen links ab, befanden uns auf der „Fast-Lane“ und nur 50 Meter später standen wir bereits vor unserem Gate … wo noch kein Check-In begonnen hatte und wir noch ein halbe Stunde warten mussten, bevor es losging. Fast könnte man meinen, die Engländer hätten Humor.
„Wenn wir im Flieger nach Vegas sitzen, dann fange ich an, mich zu freuen“, hatte ich vorher zu Stefan gesagt. Schwupp, nun saßen wir endlich im Flieger nach Vegas und ich freu … wollte mich gerade freuen, als der leicht übergewichtige Fluggast vor mir ohne Ankündigung seinen Sitz nach hinten gegen meine Knie rammte. Neben der üblichen Möglichkeit den Sitz nach hinten zu kippen, legte er mit seinem Gewicht noch einige weitere Zentimeter drauf – das würden enge elf Stunden werden. Besonders weil der Fluggast während des Flugs sicherlich nicht abnehmen würde. Neben den planmäßigen Mahlzeiten – und das waren nicht wenige – erschnorrte der Mann weitere Desserts, mit welchem Charme er das auch immer schaffte, ist mir schleierhaft.
Dank „Stranger Things“ konnte ich den Flug aber doch genießen – wieder etwas von der Bucket-Liste abgearbeitet. Und dann endlich Landeanflug auf Las Vegas und schon beim Ausrollen sahen wir die „Sphere“. Doch zunächst suchten wir uns noch einen Kleinwagen (Dimensionen ändern sich) aus und dann ab zum Mardi Gras, unserem 35 Dollar Hotel für die erste Nacht. Doch zuvor machen wir noch einen Abstecher zur Sphere:
Das Einchecken in das Mardi Gras Hotel war schon surreal. Gegenüber der Anmeldung gab es eine Bar, die ihre besten Zeiten vor 40 Jahren gehabt haben musste oder noch auf diese wartet. Immer noch auf die besten Zeiten wartend, saßen tatsächlich mehrere Gestalten an in der Theke installierte Geldspielautomaten (ich habe ja keine Ahnung, was man da spielt). Woher kommen diese Gestalten? Waren es Hotelgäste, Arbeiter nach Feierabend … oder sitzen sie da bereits seit 40 Jahren auf der Suche nach ihren besten Zeiten? Im Hintergrund blinkte in hässlichsten Vegasfarben eine Reihe von Spielautomaten – wenn es sowas wie ein einladendes Ambiente gibt – das hier war das Gegenteil.
Also habe wir uns – nachdem ich verzweifelt und umsonst versucht habe, mit meiner nagelneuen Kreditkarte zu bezahlen – schnell auf unser Hotelzimmer zurückgezogen, um nach mittlerweile 26 Wachstunden ein wenig Schlaf zu finden. Aber, Vegas ist nur einmal im Jahr, oder so ähnlich … also sind wir doch noch schnell auf den Strip gelaufen:
Wer hat schon Probleme mit Jetlag? Ich bin eben um 4 Uhr wieder aufgewacht und das sollte sich auch in den kommenden Tagen nicht mehr ändern. Nachdem ich meine mittlerweile gesperrte Kreditkarte mit einem Anruf von Las Vegas nach Oslo (die Globalisierung lässt grüßen) wieder entsperren konnten, starteten wir pünktlich um 7 Uhr auf unsere 800 Meilen Reise durch Nevada, Arizona und Utah in drei Tagen.
Doch ganz wichtig, erstmal frühstücken. Und wo kann man das stilechter machen, als in einem echten, amerikanischen Diner. Und was Stefan da zufällig rausgesucht hatte, erwies sich als echter Glücksgriff, denn in diesen Diner verirrt sich kein Tourist freiwillig – von außen machte der so gar nichts her:
Das Omelet-House bot aber von innen ein – Vorsicht: abgedroschen – authentisches Ambiente, netten Service und ein für amerikanische Verhältnisse leckeres Frühstück.
Frisch gestärkt wurde es nun aber Zeit, Vegas zu verlassen und mit dem Sightseeing-Programm zu beginnen. Erste Station auf der Grenze zwischen Nevada und Arizona: der Hoover Dam:
Natürlich hätten wir den imposanten Damm auch aus der Nähe anschauen können, doch wir mussten unserem Motto treu bleiben: „Wir haben doch keine Zeit“ … also weiter ging es Richtung Arizonas Joshua Tree National Park. Doch auch zwischendurch mussten wir immer wieder anhalten, um die Natur zu genießen, den Ausblick, aber auch, um uns über die vielen Siedlungen zu wundern, die plötzlich im Nichts auftauchen, zu erkennen an den am Straßenrand aufgestellten Postkästen.
Unser Auto hatte leider einen kleinen – nicht behebbaren – Defekt. Alle paar Kilometer zog der Wagen nach rechts und wir mussten am Straßenrand anhalten und Fotos machen, zu beeindruckend die Landschaft, wenn nicht am späten Nachmittag ein tiefes Loch direkt vor uns unsere Reise für diesen Tag beendete. Die Amerikaner haben diesem gewaltigen Loch auch einen Namen gegeben: Grand Canyon. Staunend verbrachten wir hier den Abend und gönnten uns zur Feier des Tages ein Sandwich.
Abendstimmung am Grand Canyon ist schön phänomenal, aber den Sonnenaufgang an diesem gewaltigen Loch in der Landschaft in andächtiger Stille zu genießen, ist mindestens sehr speziell.
Leider galt auch hier – wie immer: „Wir haben doch keine Zeit!“. Immerhin fuhren wir noch einige Kilometer am Canyon entlang und dank des Defekts am Auto hielten wir noch mehrmals, unter anderem am „Watchtower“, an, bevor wir am Little Colorado River weiter Richtung Cameron fuhren, wo unser zweites exquisites Frühstück auf uns wartete. Immerhin erhofften unsere hungrigen Mägen das, aber stillen mussten wir unseren Hunger tatsächlich mit einem Frühstück bei Burger King – mehr hatte Cameron nicht zu bieten. Aber Fast Food passt ja sehr gut zu unserem Zeit-Motto, denn schon der nächste Höhepunkt wartete mit der Navajo Bridge über den Marble Canyon. Die Brücke war 1929 die erste Brücke über den Colorado River und damals eine der größten Stahlbogenbrücken. Für uns war die Brücke die Gelegenheit, den Colorado River aus der Nähe – naja, zumindest aus 143 Meter Höhe – zu sehen. Bisher hatten wir ihn immer nur als kleinen Rinnsal aus kilometerweiter Entfernung vermuten können.
Wenn man schon mal den Abstecher zur Navajo Bridge gemacht hat, kann man sich am Ambiente der roten Felsformationen im Hintergrund kaum sattsehen, also haben wir uns diese noch aus der Nähe angeschaut.
War der Tag schon eine Aneinanderreihung von optischen Höhepunkten, so hatten wir noch nicht einmal die Mittagszeit erreicht, und um 14 Uhr erwartete uns schon der nächste optische Genuss, aber dazu mussten wir noch einige Meilen bis nach Page hinter uns bringen. Dort hatten wir auf Empfehlung einen Ausflug zum Antelope Canyon gebucht. Tatsächlich mussten wir uns zunächst in einem unscheinbaren Büro im tristen Page einfinden, wurden dann in geländetaugliche Busse verfrachtet und ab ging es auf einer Sandpiste zum Antelope Canyon, durch den uns ein Native American führte. Was für Eindrücke:
Was macht man am späten Nachmittag in Page, wenn man schon so viel gesehen hat? Richtig, ab zum nächsten eindrucksvollen Werk, das die Natur nur geschaffen hat, um uns zu beeindrucken. Wir fahren noch einige Meilen zurück zum Colorado – an die Stelle, wo dieser eine 180°-Kurve dreht: Horseshoe Bend. Dort konnten wir den Tag mit den letzten Sonnenstrahlen ausklingen lassen. Eine wunderbare Atmosphäre in luftiger Höhe, so dass wir uns tatsächlich häufig nur robbend an den – in Deutschland unvorstellbar – ungesicherten, 300 Meter hohen Abgrund gewagt haben:
Um ehrlich zu sein, der Tag war danach immer noch nicht zu Ende, wir mussten ja noch unseren zwei Hobbys nachgehen: Schießen und Essen:
Kaum zu glauben, aber am folgenden Sonnabend sollte tatsächlich schon der letzte Tag unserer kleinen Rundreise anbrechen. Wie immer waren wir früh aus den Federn – also ich um 4 Uhr, Stefan knapp drei Stunden später – Langschläfer. Ungefrühstückt brachen wir wieder Richtung Westen auf, diesmal aber nördlich am Grand Canyon vorbei, wir hatten schließlich noch einiges auf unserer Liste, bevor am Abend der eigentlich geplante Grund unserer Reise in Sin City auf dem Programm stand. Aber erstmal hieß es wieder Landschaft genießen. Ich saß wieder am Steuer und Stefan musste häufig aus dem Auto raus Fotos machen – wir hatten ja keine Zeit.
Diesmal hofften wir in Kanab mehr Glück mit dem Frühstück als nur Burger King zu haben – und wurden nicht enttäuscht. Zum Glück kamen wir nach knapp drei Stunden Fahrt frühzeitig in Kanap an, denn im Dorf war richtig was los, darauf deuteten die vielen Heißluftballons hin, die sich bereits auf den Weg in die Wüste machten – Volksfeststimmung.
Kurz hinter Kanap wurde es wieder faszinierend: Die endlose, manchmal auch triste Weite verschwand plötzlich hinter einer Kurve und wir befanden uns in einem sehr einladenden Nationalpark, mit nur wenigen Parkbuchten, von denen wir nahezu jede nutzten, um anzuhalten, die Landschaft zu genießen … und ja, um Fotos zu machen: Der Zion National Parc.
Nun aber ab nach Vegas. Die Sphere wartete auf uns, U2 waren in den Startlöcher … Zoo Station, With Or Without You … da gönnen wir uns lediglich noch einen Kaffee mit Blick auf irgendwelche Berge im Hintergrund und verquatschen uns eine Stunde auf dem Parkplatz.
Nun aber weiter … oder doch noch ein Abstecher? Schaffen wir! Da links, nur 40 Meilen entfernt ist doch noch das Valley Of Fire. Wie angemalt wechselt die Farbe der Wüste plötzlich in tiefes Rot, hier scheint es wirklich zu brennen.
Danach erreichen wir nach 800 Meilen geruhsamer Fahrt durch Nevada, Arizona und Utah den doch etwas stressigeren Freeway nach Las Vegas. Gewöhnungsbedürftig sind die Trucks, die mit 70 Meilen pro Stunde (113 km/h) über die Autobahn rasen, ebenso wie die nicht abgeflachten Absätze beim Spurwechsel während Baustellen – also mit meinem eUP hätte ich hier einen Abflug gemacht. Nachdem wir Las Vegas erreichen und bevor wir das Mardi Gras wieder beziehen, müssen wir noch einer anderen Pflicht nachkommen: Essen!
Dann ist es endlich soweit, die Sphere erwartete uns: U2:UV
Was für ein Abend, was für ein Tag, was für eine halbe Woche. Den Abend und den kommenden halben Tag haben wir dann noch in Las Vegas ausklingen lassen.
Danach haben wir uns zum Flughafen aufgemacht – ohne Bordtickets, aber das kannten wir ja schon. Diesmal hatte Opodo für den Rückflug die falsche Nummer in der App hinterlegt, so dass wir nicht am Vortag einchecken konnten, mit dem Ergebnis, dass wir im ausgebuchten Flieger die letzten freien MITTELplätze bekommen haben. Das war – vorsichtig ausgedrückt – suboptimal. Und für besondere Spannung sorgte Stefan, der im Gegensatz zu mir keine Bordkarte für den Anschlussflug in Amsterdam bekommen hatte. Gedanklich hatte Stefan sich dann in Amsterdam schon in einen Mietwagen gesetzt, falls der Flug tatsächlich überbucht sein sollte. War er auch, aber Stefan bekam trotzdem noch ein Platz und so landeten wir 120 Stunden nach unserem Abflug wieder in Hamburg.
Ende der Geschichte. Danke, Las Vegas.