Die Vorgeschichte zum Konzert ist weniger wichtig, als der Konzertabend am 4. August 2015 im Tempodrom in Berlin, aber ohne ein wenig Vorwissen ist es schwer verständlich, wie wichtig das Konzert für mich war.
Es muss Anfang des Jahrtausend gewesen sein, als ich Damien Rice kennen und seine Musik lieben lernte. Damals gab es noch den Sampler schöner hören monatlich kostenfrei bei jpc. Herausgegeben vom Kulturspiegel waren dort die Geheimtipps der Musikszene versammelt – auch mit Ben Harper bin ich durch diese Zusammenstellungen bekannt geworden. Während ich Ben Harper & The Innocent Criminals immerhin zweimal in Hamburg live erleben durfte, ist mir das bei Damien Rice verwehrt geblieben. Zwar ist der Ire 2006 im Stadtpark Hamburg aufgetreten, aber ich konnte mich damals nicht aufraffen für zwei Stunden Schmusemusik nach Hamburg zu fahren. Ein Fehler, den ich neun Jahre bereuen musste. Denn erst nach dem damaligen Konzert habe ich erstmals eine Live-CD von Damien Rice gehört und musste feststellen, dass er mitnichten nur auf der Bühne rumschmust. Und es wurde noch schlimmer, als ein Volo-Kollege mir von „dem besten Konzert seines Lebens“ vorschwärmte: Damien Rice in Hamburg.
Nun konnte ich ja auch nicht ahnen, dass der begnadete Songschreiber, der im übrigen bis heute nur ein (!) Liebeslied geschrieben hat, für sein nächstes Album acht Jahre brauchen würde. Auch war nicht abzusehen, dass ich nie wieder Damien Rice und seine kongeniale Partnerin Lisa Hannigan zusammen auf der Bühne sehen würde, die sich während der 2006-Tournee zerstritten hatten – wohl für die Ewigkeit.
Über die Jahre habe ich mich mit Bootlegs seiner Konzerte getröstet, was weniger Trost als Steigerung der Sehnsucht war. Nicht überraschend also, dass ich mir für das diesjährige Berlin-Konzert frühzeitig ein Ticket gesichert habe, um eines der besten Konzerte meines Lebens zu erleben.
Dienstag, 4. August, 21 Uhr:
Ich wusste gar nicht, dass Damien mich so gut kennt. Wusste er von meiner Sehnsucht, ihn live zu erleben? Oder warum eröffnet er das Konzert ausgerechnet mit dem Song, den ich damals auf der schöner hören-CD zuerst von ihm gehört habe: Cannonball. Die Gänsehaut, die ich bekomme, entspannt sich erst nach zwei Stunden wieder, denn die Atmosphäre im Tempodrom ist einzigartig. Während Damien mit einigen ruhigen akustischen Songs beginnt, ist die Halle still. Ich meine richtig still. Kein Geflüster, kein Geklimper ist in den leisen Passagen ist zu hören – auf Verstärker könnte er eigentlich verzichten. Wird er später auch.
Doch zunächst bietet er das, was ich mir erhofft hatte, unglaubliche Performances von 9 Crimes in einem völlig neuen Gewand – aus der Ballade wird ein Rocksong, genauso wie die Version von It Takes A Lot To Know A Man, die im orchestralen Epos endet. Aber auch als Erzähler weiß er – allerdings nur selten jugendfrei – zu unterhalten und landet spätestens damit in den Herzen der Zuschauer, von denen die meisten in meiner Umgebung zu großen Fans gehören, für die es nicht das erste Konzert zu sein scheint. Osteuropäer, Schweden und Engländer haben den Weg neben einigen Deutschen in die Halle gefunden.
Nach vielen Geschichten über jugendliche (Un-)Schuld, die Schwierigkeiten, die richtige Frau lieben zu lernen und pubertierende Kinder beendet Damien Rice das Konzert mit dem Titeltrack seines letzten Albums My Favourite Faded Fantasy. Oder auch nicht. Statt von der Bühne zu gehen, fragt er, ob wir noch Zeit für ein weiteres Stück hätten. Der besonderen Atmosphäre der Halle, die immer noch unglaublich aufmerksam ist, ist es wohl geschuldet, dass er tatsächlich auf sämtliche Verstärker verzichtet und nur mit der Akustikgitarre noch drei weitere Songs spielt. Das Publikum singt mit, ganz leise, um den Künstler nicht zu übertönen, aber auch um die Gänsehaut nicht zu zerstören. Danke!
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