Man schaue an: Nick Cave – 20.000 Days on Earth
Wenn jemand 20.000 Tage auf der Welt ist und das keine wirkliche Relevanz für den Film hat, sind erstmal die linke Gehirnhälfte damit beschäftigt, diese Tage in umgänglichere Jahre zu rechnen. Heraus kommt, dass Nick Cave wohl so um die 55 Jahre auf der Welt ist, als dieser fiktive Tag festgehalten wird. Wer einen realen Tagesablauf des australischen Künstlers in seiner Wahlheimat im englischen Brighton erwartet, wird nicht begeistert sein. Wer allerdings in eine künstlerische Ergänzung seiner Musik eintauchen möchte, sollte den Film nicht verpassen.
“Es ist eine absurde, verrückte, brutale Welt, in der Menschen vor Wut rasen und Gott tatsächlich existiert. Je mehr ich schreibe, desto ausgefeilter und detaillierter wird diese Welt, und all die Figuren, die darin leben, sterben oder zerrinnen, sind lediglich krumme Versionen meiner selbst.“
Es steckt also ein bisschen Wahrheit über ihn selbst in allem, was Cave kreiert – so ist es auch im Film, doch zwischen den Wahrheiten wird der Zuschauer zugedröhnt mit Aphorismen, die in einer so engen Zeitfolge aufeinander prallen, dass man sich eine Pausentaste im Kino wünscht, um zu diese zu verarbeiten. Doch dazu bleibt nicht die Zeit und ob Cave nun ein “Engel” ist, wie sein Vater behauptet, oder doch ein Monster, als dass er sich selber sieht, bleibt zunächst ungeklärt.
“Am Ende des 20. Jahrhunderts hörte ich auf, ein Mensch zu sein”
Mit dem ersten Satz des Films wird klar, dass es nicht um biografische Realität geht, auch wenn diese immer wieder eingeflochten werden, wenn Bilder aus seiner Kindheit, Jugend und von frühen Bühnenauftritten gezeigt werden, die Cave mit kleinen Anekdoten erläutert. Dass er schon immer ein “großtuerischen Bastard” war, wird deutlich als er aus einem frühen Testament vorliest. Es solle sein ganzer – damals nicht vorhandener – Besitz dem Nick Cave Memorial Museum zukommen.
Am stärksten ist der niemals langweilige Film, wenn Nick Cave mit dem Auto durch Brighton und an der englischen Küste entlang kurvt und sich dabei mit Geistern seiner Vergangenheit wie Blixa Bargeld und Kylie Minogue unterhält – oder beim Aal-Ragout mit seinem congenialen Partner Warren Ellis über denkwürdige Auftritte von Nina Simone sinniert. Und ständig werden bedeutungsschwere Sätze eingeworfen, die es zu verarbeiten gilt, die noch lange im Kopf herumschwirren und interessanten Kinoabend verlängern.