Diese Frau ist gefährlich, denn sie wird permanent unterschätzt. So klein, so zart, so blond – doch statt seichter Popsongs oder gar Schlager, kommt die Pop-Elfe mit frechen und manchmal bittersüßen Texten voller Ironie und Sarkasmus daher. Natürlich sind auch einige Liebeslieder dazwischen, doch auch die haben mehr Tiefe, als Annett Louisan groß ist. An ihrem Image als Pop-Lolita hat die 28-Jährige in den vergangenen Jahren – nach eigener Aussage unabsichtlich – kräftig gefeilt. Auf der Bühne ist sie umgeben von sechs Männern und fühlt sich dabei sichtlich wohl. Die Band ist gut, spielt vielleicht ein wenig zu souverän und die wenigen Soli wirken zu einstudiert, einem gelungenen und besonders musikalisch hervorragenden Konzert tut das keinen Abbruch.
Pünktlich um 20 Uhr betritt die immer wieder überraschend kleine Annett Louisan die Bühne, der ausverkauften Weser-Ems-Halle. Früh sucht sie die Nähe zum Publikum, indem sie durch die Reihen schreitet. Etwas zu früh bedankt sie sich bei dem tollen Oldenburger Publikum, das sich anschließend behäbig auf diesen Vorschusslorbeeren ausruht. Souverän hangelt sich die Pop-Elfe durch ihre Songs und fesselt ihre Fans mit einer abwechslungsreichen Mischung aus Pop, Jazz, Chansons, Swing und ein bischen Tango. Als nach der Pause der Wahl-Oldenburger aber eigentliche Kanadier Martin Gallop die Bühne betritt, kommt sogar noch ein Hauch Country dazu. Überhaupt ist Gallop ein willkommenes Kontrastprogramm zur zierlichen Hauptperson des Abends – nicht nur, weil Gallop gefühlt doppelt so groß ist wie Louisan. Mit akzentreichem Deutsch gelingt es Gallop, was Louisan verwehrt bleibt: Er bringt das Publikum zum Lachen! Musikalisch kann der symphatische "Lange" sein Können allerdings nicht transportieren, dafür sind drei Songs zu wenig.
Als Gallop sich wieder verabschiedet nähert sich das Konzert auch seinem ersten Ende. Mit dem Liebeslied verabschiedet sich Louisan erstmals von ihren Fans, kommt aber noch zweimal wieder, schließlich fehlen noch Hits wie Das Spiel und Thorsten Schmidt, letzteres wird tatsächlich spontan von Annett Louisan eingestreut. Spontanität ist das, was der Künstlerin noch fehlt, vielleicht war ihr Karrieresprung dafür auch zu groß. Vor wenigen Monaten spielte sie noch vor einigen Hundert Fans in Clubs und kleineren Hallen. Nun muss sie einige Tausend Fans unterhalten. Das macht ihr noch Angst, frei von Nervosität ist sie nicht, was sich an den steifen Ansagen vor den Songs verdeutlicht, allerdings macht es ihr das Sitzpublikum nicht einfach. Das ist genauso unspontan, keine Zwischenrufe, keine Pfiffe, die die etwas steife Atmosphäre auflockern könnten. Vielleicht hätte sie den Brief vorlesen sollen, den ihr ein Kind in die Hand drückt, aber diese Chance lässt sie aus. Sie konzentriert sich voll auf ihre Musik und das macht sie sehr gut, denn sie lebt ihre Songs – in denen ihr Herz steckt, auch wenn sie die meisten nicht selbst geschrieben hat.
Nach 160 äußerst kurzweiligen Minuten endet Das optimale Leben in Oldenburg. Optimal war die Show, aber dass das Leben nicht so optimal ist, wie der Titel verspricht, hat Annett Louisan auch nie ernsthaft versprochen. Es sind die Grauzonen unterhalb des Optimalen, die Louisan besingt. Auf den Punkt gebracht beschreibt Louisan Alltägliches und begeistert damit optimal.
Die Bilder hat Lutz Rector vom Hunte Report freundlicherweise zur Verfügung gestellt.