Black Book — Überforderter Starregiesseur Paul Verhoeven


Ein Film über die Nazi-Zeit und ein Thriller oder besser: Ein Nazi-Film als Thriller verpackt – kann das gutgehen? Es könnte, aber dem Hollywood-erprobten Regiesseur Paul Verhoeven (Top: Basic Instinct; Flop: Showgirls) ist diese Mischung trotz sonst überwiegend guter Kritiken misslungen. Stark ist der Thriller im Film – trotz einer Länge von weit über 120 Minuten – ist Black Book nicht eine Minute langweilig. Es gibt zwar nur einen Handlungsstrang, aber da im Leben der Jüdin Rachel/Ellis so viel Tragisches passiert und sie immer wieder kurz vor der Entdeckung steht, bleibt weder für Rachel noch für den Zuschauer Zeit zum Luftholen.

Kurz zum Inhalt: Der Film beginnt im Jahr 1944 und spielt in den Niederlanden. Die Jüdin Rachel lebt auf einem Bauernhof versteckt, bis dieser von einer Bombe getroffen wird und Rachel gezwungen ist, ihr sicheres Versteck aufzugeben. Bei einem befreundeten Notar, der Kontakt zum Widerstand hat, besorgt sie sich Geld, um in befreites Gebiet zu fliehen. Auf dem Flüchtlingsboot trifft sie ihre Familie wieder, doch die Freude währt nur kurz, denn das Boot wird entdeckt und alle Flüchtlinge erschossen. Nur Rachel überlebt.
Rachel ändert nun ihren Namen in Ellis und schließt sich aktiv dem Widerstand an. Als Spitzel geht sie eine Beziehung mit dem deutschen Offizier Müntze ein. Aus der geplanten Affäre wird eine echte Liebe, die nur kurzen Bestand hat. Bei einer Rettungsaktion sollen Gefangene vor dem Tod gerettet werden, doch die Befreiung misslingt und Ellis gerät nun auch ins Visier des Widerstands, der sie für die Verräterin hält. Als Holland befreit wird, ist Ellis weiterhin auf der Flucht …

Die Handlung hat einige wenige Schwächen. So wird zum Beispiel nicht klar, warum Ellis – die unglaublicherweise das Massaker auf dem Boot überlebt – ausgerechnet vom Widerstand gefunden wird. Auch die Auflösung, wer der eigentliche Verräter in der Widerstandsgruppe war, wird nur fahrig erklärt und enthält einige Schwächen … aber dazu verrate ich nicht mehr.

Schwerwiegendere Schwächen sind in der Charakterzeichnung der Figuren – allen voran Ellis/Rachel – Carice van Houten und Sebastian Kochauszumachen. Sie zeigt nahezu keine Gefühlsregungen, egal ob ihr Versteck am Anfang auffliegt oder ihre Familie vor ihren Augen stirbt. Schnell lacht sie wieder und verliebt sich. Doch warum reagiert sie so kaltherzig? Was treibt die Frau an, was hält ihre Gefühle zurück? Trotz der ausufernden Länge des Film, nimmt sich Verhoeven keine Zeit, den Charakter ausgiebiger offen zu legen. Warum verliebt sie sich in den deutschen Offizier, der keineswegs einer der sogenannten guten Nazis war, sondern mehrfach Todesurteile unterschrieben hat. Seine Wandlung zum Guten scheint im Gegenteil nur bedingt, durch den nahenden Untergang des Deutschen Reiches. Kalkulierter Eigennutz treibt Müntze an und nicht aufkommende Nächstenliebe.
Die Hauptfiguren in Black Book sollen als zwiespältige Gestalten dargestellt werden, die nicht eindeutig in Gut und Böse einzuordnen sind. Das gelingt nicht, weil zu keiner Zeit deutlich wird, was sie antreibt. Die Nebenfiguren hingegen sind allzu stereotypisch angelegt. Dort gibt es nur die bösen Nazis und die guten Widerstandskämpfer.

Doch wie schon erwähnt, spannend ist der Film. Doch bei der geschichtlichen Thematik darf ein Film nicht einfach nur spannend sein, sondern sollte auch von den Figuren her schlüssig aufgebaut sein, um den Opfern gerecht zu werden. Das ist gründlich misslungen und überrascht. Schließlich war der Film kein Schnellschuss, sondern ein lang geplantes und gründlich durchdachtes Projekt von Verhoeven – das lässt nur den Schluss zu, dass Verhoeven mit seinem Vorhaben überfordert war. Und gescheitert.

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